Als Tempus wird eine grammatische Kategorie bezeichnet, die die zeitliche Relation zwischen dem sogenannten temporalen Referenzpunkt (in der Regel dem Sprechakt) und dem Akt, der durch die Verbalphrase ausgedrückt wird, bezeichnet.
Die drei hauptsächlichen Teilkategorien des Tempus lauten:
- Präteritum: Der Akt der Verbalphrase findet vor dem temporalen Referenzpunkt statt:
من نهار خوردم.
من هر روز نهار میخوردم.
من داشتم نهار میخوردم.
- Präsens: Die Aussage der Verbalphrase gilt zur Zeit des temporalen Referenzpunktes:
من هر روز نهار میخورم.
من دارم نهار میخورم.
Wie erwähnt entspricht der temporale Referenzpunkt in der Regel der Zeit des Sprechakts. Er kann sich aber auch in die Vergangenheit verschieben, so dass die Verbalphrase im Präsens steht, während deren Handlung in der Vergangenheit stattfand:
- Beim Zitieren einer Erzählung:
منصور دستش را در جیبش میکند، ولی چاقویش را نمییابد. همان موقع گلولهای از پشت صفیر میکشد و …
- Zum Zitieren einer Äußerung:
رازی عقیدهیِ خود را چنین ابراز میدارد که …
غزالی در همین باره میگوید …
- Beim Zitieren einer Erzählung:
- Futur: Der Akt der Verbalphrase wird nach dem temporalen Referenzpunkt geschehen:
من فردا نهار خواهم خورد.
Es scheint, dass das Futur in indoeuropäischen Sprachen eine Subordination mit Inhaltssatz darstellt, die durch die Grammatikalisierung von den meisten Sprechern als eine einheitliche Verbalphrase empfunden wird. Im Persischen werden dazu Modalverben des Infinitivs /xɒstæn/ خواستن eingesetzt, wie das obere Beispiel zeigt (siehe 18•۲•e•b•c.).
Dieser Sachverhalt legt nahe, dass das Futur ursprünglich mit dem Präsens eine gemeinsame Teilkategorie bildete, so dass für beide Fälle Verbalphrasen mit derselben Syntax verwendet werden können:
من فردا نهار میخورم.
Abgesehen von diesen drei Teilkategorien findet man weitere Teilkategorien, die als “Sekundärzeiten” dieser “Primärzeiten” bezeichnet werden können:
- Eine Gruppe dieser Teilkategorien des Tempus bezieht sich auf einen der folgenden Fälle:
- Bei statischen Verbalphrasen auf einen Zustand, der seit einem bestimmten Zeitpunkt vor der Primärzeit existiert:
او خیلی از تهدیدهایِ تو ترسیده بود.
من همیشه خوبِ تو را خواستهام.
- Bei dynamischen Verbalphrasen auf einen Vorgang, der vor der Primärzeit stattfand und eine Änderung hervorgerufen hat, deren Wirkung bis in die Primärzeit hinein andauert:
باد پنجره را شکسته.
من صندلی را رنگ زدهام.
Im Persischen (wie in vielen anderen indoeuropäischen Sprachen) können mit Hilfe von Perfektpartizipien Verbalphrasen in folgenden Teilkategorien des Tempus gebildet werden:
- Vor-Präteritum:
من پیش از رسیدنِ دیگران نهار خورده بودم.
- Vor-Präsens:
من نهار خوردهام.
- Vor-Futur:
من پیش از رسیدنِ دیگران نهار خورده خواهم بود.
- Bei statischen Verbalphrasen auf einen Zustand, der seit einem bestimmten Zeitpunkt vor der Primärzeit existiert:
- Auf der anderen Seite gibt es Teilkategorien, die nur mit punktuellen Verbalphrasen erscheinen und anzeigen, dass eine zukünftige Umwandlung sich zur Primärzeit andeutet. Auch diese Teilkategorien werden nach der Primärzeit geordnet:
- Nach-Präteritum:
شاخهاش میخواست از سنگینی بشکند.
بهایِ نفت داشت به سطحِ سالِ پیش میرسید.
- Nach-Präsens:
شاخهاش میخواهد از سنگینی بشکند.
بهایِ نفت دارد به سطحِ سالِ پیش میرسد.
- Nach-Futur:
به خانه که رسیدی سری به درختِ نسترن بزن! اگر شاخهاش میخواست از سنگینی بشکند، هَرَسش کن!
فردا بازارِ بورس را با دقتِ زیرِ نظر داشته باش! اگر بهایِ نفت داشت به سطحِ سالِ پیش میرسید، به من خبر بده!
Die oberen Beispiele zeigen, dass diese Teilkategorien im Persischen nicht unsprünglich vorhanden waren, sondern erst durch zusammengesetzte Verbalphrasen realisiert wurden:
- Subordination mit Inhaltssatz mit einem Modalverb des Infinitivs /xɒstæn/ خواستن (siehe 18•۲•e•b•c.).
Wenn die Verbalphrase im Nach-Präteritum steht, kann in archaischen Idiomen das Prädikat des Inhaltssatzes (analog zur Syntax von Verbalphrasen im Futur) in der Form des Infinitus erscheinen (siehe 12•۱•d.):
آن روز که بامداد سلطان به فتحِ خلیج بیرون خواستی شد، ده هزار مرد به مزد گرفتند.
Nasser Chosrau (11. Jh. n. Chr.)
- Subordination mit Inhaltssatz mit einem Modalverb des Infinitivs /dɒʃtæn/ داشتن in modernen Idiomen (siehe 18•۲•e•b•d.).
Außerdem werden (eher in der Umgangssprache) durch Verschiebung der temporalen Referenzpunkt Verbalphrasen im Nach-Präsens verwendet, die ursprünglich syntaktisch im Präteritum standen:
آمدم!
بگیرش! افتاد!
ما برفتیم! تو دانیّ و دلِ غمخورِ ما!
بختِ بد تا به کجا میبرد آبشخورِ ما!
Hafes (14. Jh. n. Chr.)
- Nach-Präteritum: